Birgit Schwaner

Auf den ersten Bild scheinen Cornelia Foerchs neue Arbeiten recht simpel: auf Kunstleder — ohne großen Anspruch auf handwrkliche Virtuosität — gemalte Bildzeichen, Fundstücke aus der Medienwelt, die eine "Geschichte", einen "Bildtext ergeben. Sie selbst nennt in einer Projektbeschreibung ihre Bildwerke "Tauscher" und definiert sie folgendermaßen:

"Tauscher sind variable Bildsätze zu je sieben Teilen, jeder Teil hat eine bestimmte Position und ein bestimmtes Motiv, das seinen Platz in der Bilderzählung einnimmt. Jeder Tauscher kann in sich durchgespielt werden und zu neuen Kombinationen in Rechtecken zusammengefügt werden. Man kann auf diese Weise bis zu sieben weitere Bilder legen." Cornelia Foerch will den Ausstellungsbesucher "aktivieren", ihn aus seiner passiven Konsumentenrolle herauslocken. Ihre Intention ist ein "meditativer und aktiver Prozeß, kein stummes Konsumieren.

Damit hinterfragt sie natürlich ein paar "Positionen", wie den Anspruch des Künstlers auf seine Rolle als "Autor" oder wie das Donald Kuspit zugespitzt formuliert hat, als "Demiurg" oder "Weltenschöpfer", genauso wie sie die "Autonomie des Kunstwerks" in Frage stellt. Nach den Kriterien des Kunstmarkts ist das aber "geschäftsschädigend", denn ohne "Autor" und "Autonomie" ist ein Objekt nichts wert.

Riskieren wir einmal einen "zweiten Blick", nehmen wir einmal an,daß Cornelia Foerchs Arbeiten "Bildbaustellen" sind, "variable Texte" und vergleichen sie mit einem Aufsatz, den Gilles Deleuze und Felix Guattari unter dem Titel "RHIZOM" 1977 im Merve Verlag veröffentlicht haben. Ersetzen wir bei dem zitierten Textausschnitt den Begriff "Buch" durch den Begriff "Bild", ergibt sich vielleicht ein "sinnstiftender Zusammenhang", den wir wie eine Folie über Cornelia Foerchs Arbeiten legen können. "Das Buch (BILD) hat aufgehört, ein Mikrokosmos nach klassischer und abendländischer Art zu sein. Das Buch (BILD) ist kein Bild der Welt und noch viel weniger Signifikant. Es ist nicht schöne organische Totalität, auch nicht mehr Einheit des Sinns. Michel Foucault antwortet auf die Frage, was für ihn ein Buch (BILD) sei. eine Werkzeugkiste".

Foerchs "Tauscher" sind also Dekonstruktion des klassischen bildbegriffs. Nur beschränkt sie sich nicht auf formale oder materielle Reduktion — das ist bereits eine akademische Pflichtübung geworden — sondern sie macht die Syntax des Bildes variabel. Man kann dies als "Cut-Up-Technik" bezeichnen, wie sie beim Film verwendet oder in der Literatur von William Burroughs beschrieben wird.

Fahren wir fort im Text von Deleuze und Guattari: "Findet die Stellen in einem Buch (BILD), mit denen ihr etwas anfangen könnt. Wir lesen und schreiben (UND SEHEN) nicht mehr in der herkömmlichen Weise. Es gibt keinen Tod des Buches (BILDES), sondern eine neue Art zu lesen (SEHEN). In einem buch (BILD) gibt es nichts zu verstehen, aber viel, dessen man sich bedienen kann. Nichts zu interpretieren und zu bedeuten, aber viel, mit dem man experimentieren kann. Ein Buch (BILD) muß mit etwas anderem "Maschine" machen, es muß ein kleines Werkzeug für ein Außen sein. Keine Repräsentation der Welt, auch keine Welt als Bedeutungsstruktur".

Cornelia Foerchs Arbeit ist deshalb von Interesse, weil sie den "Bildbegriff" auf eine "kommunikative" und "interaktive" Ebene bringt und damit der Veränderung unserer Sehgewohnheiten durch die elektronischen Medien, wie sie von Marshall McLuhan prognosziert wurde, gerecht wird. Ihre "Tauscher" sind "Bildbaustellen", kleine "virtuelle Realitäten, die wir gebrauchen können — auch ohne Computer, Helm und Datenhandschuh.

Peter Nesweda, 1993